Reize

Der lauteste, hellste, nervigste oder schlicht gesagt der penetranteste Reiz gewinnt.

Die Welt konfiguriert sich sehr seltsam, wenn man diesem Prinzip unterworfen ist. Wenn einem nicht mehr genügend und vor allem gleichbleibende Konzentrationskräfte bleiben.

Selbst einfache Lebensvollzüge funktionieren plötzlich nicht mehr. Erinnerungen verschwinden oder kommen durcheinander. Reize überlagern sich, und all das führt zum Chaos im Alltag.

So werden einfachste Sachen wie zu kochen an manchen Tagen fast unmöglich, oder man kann Geräusche und Tatsachen der Welt, die man gerne nicht mitbekommen möchte, mangels genügender Kraft nicht ausblenden.

Und es passieren einem immer und immer wieder die seltsamsten Fehler.
Wie dieser von letzter Woche: Ich sitze in der Küche und warte, bis die Zeit vergeht, damit ich zum Arzttermin aufbrechen kann. Dann klingelt das Telefon, und ich werde gefragt, wo ich denn sei, der Termin hätte vor 15 Minuten begonnen.

Ich mache mich schnell noch auf den Weg zur Untersuchung und verstehe die Welt nicht mehr. Was ist hier schon wieder passiert? In beiden Kalendern habe ich den Termin richtig eingetragen, und durch mein abendliches und morgendliches Prüfen des Tages fühlte ich mich eigentlich sicher und richtig orientiert.

Nach einer Weile dämmert mir: Der stärkste Reiz hat wieder mal gesiegt!
Ganz offenbar hat der Termin, den ich am nächsten Tag am selben Ort hatte, einen tieferen Eindruck hinterlassen, und ich habe mich an der Zeit dieses Termins ausgerichtet, obwohl ich am Morgen noch die richtige Zeit gelesen und darauf vertraut habe, meinen Tag an ihr ausgerichtet zu haben.

Es ist mühevoll und herausfordernd, sich nicht mehr gleichbleibend auf sich selbst verlassen zu können, und es macht grosse Mühe, trotz allem gelassen zu bleiben und zu akzeptieren, wie es eben ist. Denn ich gebe mein Bestes, auch wenn man es nicht sieht.


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