Ist es nicht seltsam, dass man abfeiert, dass man zu 89 % Invalide ist und damit eine volle IV-Rente zugesprochen bekommt?
Eigentlich müsste man ja traurig sein, dass das Schicksal so ist, dass man so krank ist, und doch sind die Verhältnisse anders. Man freut sich, dass die Krankheit als solche endlich anerkannt wird und das Leben nun auf der IV-Stufe gesichert ist und dass man jetzt für ein- zwei Jahre Ruhe hat, um gesund zu werden.
Ruhe hat man allerdings erstmal noch nicht, denn durch den IV-Vorbescheid wird man per sofort von einem Vorleistungsbecken (Arbeitslosenkasse) ins nächste katapultiert (Sozialhilfe), da die Rente jetzt erst noch berechnet werden muss, was mindestens 2 Monate dauert.
Das heisst, man muss sich plötzlich ganz neu organisieren, was extrem viel Kraft kostet. Und es ist mir schleierhaft, wie Menschen in meiner Situation das ohne Unterstützung, genug praktischer Lebenserfahrung und guter administrativer Grundordnung sowie einem überdurchschnittlichen Organisationstalent schaffen. Denn plötzlich muss man nicht nur Sozialhilfe beantragen, was ein extremer Kraftakt ist und viele beizufügende Dokumente umfasst, sondern ist plötzlich auch so arm, dass der ausserschulische Sport- und Musikunterricht und die private Renten- und Krankenversicherung nicht mehr zu finanzieren sind.
Das heisst, sich neu organisieren. Stiftungsanträge schreiben, schauen, welche Hilfen es gibt, und sich überall anmelden und in Kontakt sein, was in meiner Post-Covid-Situation ehrlich gesagt die Hölle ist und die bleierne Erschöpfung noch schwerer macht.